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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

17. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2013

Des kleinen Kaisers neue Kinokleider

„Der kleine Kaiser“ (Oliver Boczek, D 2012)


Kleiner Mann, was nun? Seine Mutter Marie ist, während der kleine Max schlief und von anderen (Kino-) Welten träumte, bei einem nächtlichen Verkehrsunfall schwer verletzt worden, sein Vater starb dabei. „Deine Eltern sind verreist, weit weg, auf einem fernen Planeten“, tröstet ihn die Großmutter durchaus vielsagend. Dahin will Max nun reisen, um als „Der kleine Kaiser“, als der er sich seither beständig und unbeirrbar auch im Schulunterricht kleidet, das Märchen gegen die neuen Kleider der unpassenden Realität zu setzen.

Seltsam betulich, immer etwas zu deutlich wirkt Boczeks und Max’ Geschichte. Kein Kaiserwetter am Kinohimmel. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – berührt die Geschichte des Kleinen, der sich in „auffälligem Verhalten“ – so sein Klassenlehrer – seine eigene Welt erfindet, weil immer das ja auch Kino tut. Da ist die Taschenlampe, welche die Mutter ihrem Kaiserlein als „Funke“ zum Papa gibt, bei der man durchaus an das Lichtschwert aus „Star Wars“-Fantasy-Universen denken darf. Da zirpen die Grillen vor dem halbverwaisten Elternhaus wie ehedem in Hollywood. Da ist der kleine Kaiser, der an der Rakete bastelt, die ihn wie einst Saint-Exupérys „kleinen Prinzen“ zurück zum „Planet Vater“ schießen könnte ...


Im Kostüm des neuen Kinotraums: „Der kleine Kaiser“
Kaiser zu sein, zumal in dessen neuen, nackten Kleidern, ist immer ein Lüge. Die des Kinos wie aller Märchen. Aber es ist zugleich die schönste Lüge, die Fantasie, die wir uns ausdenken und -leuchten können – wir dürfen und sollen sie neues Kurzfilm-Kino nennen.

Oliver Boczek ist hier ein kleiner, kaiserlicher Geniestreich gelungen. Ein Plädoyer für das Kino als Traumfabrik und Anderswelt gegen die selten tragbare Realität. Sein „Kleiner Kaiser“ ist ein Visionär, einer, der (noch) zu träumen wagt auf der Leinwand. Vielleicht auch ein Bild und alter ego für Boczeks Filmschaffen, das sich bisher (zuletzt: „Nackte Tatsachen“) auf bloß gewitzte Geschichten konzentrierte, hier aber zumindest im filmischen Subtext die Kleider durchschaubaren Kinos abstreift und sich wie ein stolzer und zu neuem Selbstbewusstsein gelangter Kaiser nackt macht für den Kinotraum gegen das allzu Anekdotische der Realität. Kleiner, also nicht ungroßer Chapeau – oder auch: Krone! (jm)

„Der kleine Kaiser“, D 2012, 24 Min., Buch, Regie: Oliver Boczek. Gefördert von der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH. Infos: www.derkleinekaiser.net.