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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

16. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2012

Andere Blicke

Beim 16. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide gewannen drei Filme mit ungewöhnlicher Perspektive.


Der Sieger im Bereich langer Dokumentarfilm beim 16. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide, das am 25.3.2012 in der Kieler Pumpe zuende ging, hat das Andere schon im Titel: „Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen“. Martin Gerners Dokumentation über das (Über-) Leben fünf junger Afghanen im andauernden Krieg überzeugte die Jury (die vier Preisträger des letzten Jahres) durch „den neuen, anderen Blick“ auf die Protagonisten und ihre Lebensumstände.

„Entgegen der gängigen Berichterstattung füllt das Debüt des Regisseurs durch die Wahl der Perspektive nicht nur eine Leerstelle für uns Deutsche, sondern erzählt in starken Bildern von Krieg und Normalität, Angst und Optimismus“, so heißt es weiter in der Jury-Begründung zur Verleihung des mit 2.000 Euro (gestiftet vom Pumpe e.V.) dotierten Hauptpreises. Besonders durch die Entscheidung, mit einem afghanischen Team zusammenarbeiten, habe Gerner solche Nähe eines Blicks erreicht, der uns normalerweise verborgen bleibt.


Jury, Sieger und Preisstifter des Filmfests Augenweide 2012 (nicht im Bild: der Gewinner des Hauptpreises Martin Gerner). (Fotos: Lorenz Müller)
Auch die beiden weiteren Preise (je 1.000 Euro, gestiftet vom Kulturelle Filmförderung S.-H. e.V.) vergab die Jury an Filme mit dem etwas anderen Blick. So sind Kay Gerdes und Jess Hansen in ihrer Kurz-Doku „Einem Jäger auf der Spur“: Christopher von Dollen, dem einzigen Berufsjäger Schleswig-Holsteins, der durch sein Revier an der Eckernförder Bucht streift und seine Aufgabe als ökologische Naturpflege begreift. Ein Blick auf einen Beruf, der „dem Zuschauer Luft lässt zum Schauen und Nachdenken und sich dadurch angenehm deutlich vom Reportagestil vieler aktueller Produktionen absetzt“, so die Jury. „Der Film schafft es, sich dem in der Gesellschaft ambivalent gesehenen Beruf des Jägers beobachtend, aber nicht wertend zu nähern.“


Nach Dokumentationen über Fischer und Schäfer stellten Jess Hansen und Kay Gerdes den dritten Teil ihrer schleswig-holsteinischen Arbeits-Trilogie vor, „Einem Jäger auf der Spur”, und gewannen damit den Preis für einen kurzen Dokumentarfilm.
Nicht nur beim Dokumentarfilm entstehen aus solchen anderen Blicken neue Perspektiven. Der Jungregisseur Friedrich Tiedtke gewinnt sie in seinem Kurzspielfilm durch geschicktes Verweben der Gegenwart einer älteren Frau und Rückblenden zu ihren „Erinnerungen an den Sommer“, an ihre erste Liebe, die in einem Missbrauch endete. „Ein kurzes Drama, das seine Spannung aus den Geheimnissen um die Abgründe des Lebens und aus dem genauen Spiel der Darsteller bezieht“, urteilte die Jury. Leise, idyllisch, mit unschuldigem Vogelzwitschern und Wälderrauschen auf der Tonebene und weichzeichnendem Blätterfall vor der Szenerie erzählt Tiedtke diese kleine, schlimme Geschichte, macht so die vertraute Heimat des Liebens, der ersten Annäherung, zum Anderort des unbewältigten Grauens.


Nachwuchstalent Friedrich Tiedtke mit dem Team seines Films „Erinnerungen an den Sommer”, der den Kurzfilmpreis in Höhe von 1000 Euro gewann.
Vom Publikum nicht so zahlreich besucht wie der wiedereinmal ausverkaufte Kurzfilmabend, bot auch der Festivalteil „Partnerland China“ erhellende andere Blicke auf das Riesenreich, in dem Film- und Kunstszene trotz staatlicher Repression boomen. Weil die chinesischen Gäste nicht kommen konnten, ermöglichte Karsten Weber (Filmgruppe Chaos), der mit „Blitzfilm“, dem größten deutschen Filmfest in China, seit sechs Jahren durch das Land stürmischer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen reist, im Werkstattgespräch und mit Dokus aus dem Staats-Fernsehen wie auch dem Underground einen instruktiven Einblick, der China und seine Filmkunst vor allem in ihren hierzulande bisher weitgehend unbekannten Ambivalenzen zeigte. (jm)